Denkt man an Nationen, die viele berühmte Komponisten hervorgebracht haben, kommen möglicherweise zunächst – neben Deutschland – die europäischen Nachbarn wie Italien oder Frankreich in den Sinn.
Erst bei der Aufzählung von großen Namen wie Pjotr Tschaikowsky, Dmitrij Schostakowitsch, Sergej Rachmaninow oder Igor Strawinsky wird bewusst, welch wichtige musikalische Impulse gerade von Russland ausgingen. Das Kammerorchester Stuttgart der Neuapostolischen Kirche widmete am Sonntag in der Stadthalle Korntal den russischen Komponisten einen ganzen Konzertabend.
Eröffnet wurde das Sinfoniekonzert mit einem der berühmtesten Orchesterwerke von Peter Tschaikowsky, der Serenade für Streichorchester C-Dur. Den Streichern des Kammerorchesters gelang die Kunst, trotz des symphonisch dichten Klangs, die Mozartsche Leichtigkeit und den positiven, optimistischen Charakter durchscheinen zu lassen.
Als „Kompendium des virtuosen Hornspiels“ wird das Konzert für Horn und Orchester B-Dur von Reinhold Glière häufig bezeichnet. Die junge Solistin Deborah Brehm bewies eindrucksvoll, dass sie diesem anspruchsvollen Werk jederzeit gewachsen war. Vor allem die technisch heikle Solokadenz verlangte der Musikstudentin aus Stuttgart alles ab – erstaunlich, mit welcher Souveränität sie dieser großen Herausforderung begegnete. Auch das Orchester konnte speziell im mitunter reißerischen Finale des dritten Satzes seine Qualitäten unter Beweis stellen.
Mit zwei Meistern der Melodien begann der zweite Teil des Konzertes. Zum einen wird der Komponist Pjotr Tschaikowsky gerne als ein solcher bezeichnet. Zum anderen ist es sicher keine Übertreibung, auch dem Solisten Holger Koch diesen Titel zuzuschreiben. Technisch brillant, innig und gefühlvoll interpretierte der Violinist die Mélodie in Es-Dur aus der Komposition „ Souvenir d’un lieu cher“, der Erinnerung an einen geliebten Platz.
Einer ungewöhnlichen Freizeitbeschäftigung ging der Professor für Chemie, Alexander Borodin, nach: um sich abzulenken, komponierte er das eine oder andere Meisterwerk. Seine Sinfonie Nr. 3 in a-moll wurde auf diesem Weg leider nicht mehr zu seinen Lebzeiten finalisiert und so rekonstruierte sein Freund und ebenfalls berühmter Komponist Alexander Glasunow aus vorhandenen Skizzen die letzte Sinfonie des musikalischen Naturwissenschaftlers. Dirigentin Birgit Müller gelang es, einen überzeugenden Bogen über beide Sätze zu spannen und durch gefühlvolles, aber präzises Dirigat das dialogische Zusammenspiel zwischen Holzbläsern und Streichern zum rhythmischen Finale zusammen zu führen.
Nicht nur durch die für alle spürbare Harmonie, sondern auch durch besondere musikalische Momente wurde während des Abends deutlich, dass Ensemble und Leiterin sich in den letzten 13 Jahren intensiv kennen gelernt haben. Langer Applaus bezeugte, dass auch das Publikum diese Leistung zu würdigen wusste.